Als Melchior und Timon Grau im Jahr 2021 das 1986 von ihren Eltern gegründete deutsche Lichtunternehmen Tobias Grau übernahmen, ergriffen sie die Gelegenheit, nicht nur die Identität der Marke, sondern auch die Rolle von Licht zu überdenken.
Einer ihrer ersten Schritte war die Verkürzung des Firmennamens auf GRAU." Das Unternehmen trug einen Namen, der nicht geschlechtsneutral war und eine individuelle Person darstellte", erklärt Melchior. Ohne an den personalisierten Namen gebunden zu sein, können sie und ihr Team nun gemeinschaftlich zur GRAU-Identität beitragen, die die Brüder auch für ihre Kunstpraxis nutzen.
Timon und Melchior Grau, fotografiert vor der GRAU-Installation Bonfire in der Bergen Assembly im September 2022.
Seit 2021 sind die Brüder CEO und Kreativdirektoren des Unternehmens, das früher unter dem Namen Tobias Grau bekannt war.
Fotografie von Janne Savon
Während die Brüder Grau an der Universität der Künste in Berlin und der Städelschule in Frankfurt am Main studierten, wurden sie von Künstlern wie Wolfgang Tillmans und Hito Steyerl inspiriert, über die Wechselwirkungen zwischen Kunst und Welt nachzudenken. "Was [die Künstler:innen, die uns unterrichtet haben] teilen", erinnert sich Melchior, "ist, dass sie im Grunde sagten: 'Kunst ist vor allem dann interessant, wenn sie Bezug zur Gesellschaft nimmt und eine Position vertritt'" Dieser Mindset prägt ihren Design Ansatz, den sie mit ihrem 150-köpfigen Team auf dem GRAU Campus bei Hamburg vertreten.
"Wir wollen die Wahrnehmung von Licht verändern. Wir wollen es so nutzen, dass es Gefühle aktiviert und soziale Räume schafft, in denen wir uns miteinander verbinden", erklärt Timon. Diese Mission geht auf die grundlegende menschliche Beziehung zu Licht zurück. "Die Kontrolle über das Feuer stellt eine der ältesten Formen von Architektur dar", erklärt Melchior. "Licht wurde zu einem Zentrum für Menschen. Das Feuer spendete Wärme, Helligkeit und eine Magie, die uns bis heute fasziniert."
Vor kurzem haben die Brüder den Namen des Familienunternehmens von Tobias Grau auf GRAU verkürzt. Das neue Logo wurde in Zusammenarbeit mit Porto Rocha entworfen.
Während Flammen oder Sonnenlicht soziale, symbolische und spirituelle Assoziationen wecken, spielt elektrisches Licht meist eine pragmatische oder dekorative Rolle. Timon und Melchior Grau sprechen Leuchten die gleiche emotionale Qualität wie Musik zu. Sie sehen das Potenzial des "digitalen Lichts", das sich für sie von traditionellen Glühbirnen unterscheidet.
Ihr erster kommerzieller Proof-of-Concept lancierte 2018: Parrot, eine tragbare Akke-Stehleuchte mit einer kreisförmigen Leuchtscheibe, deren Helligkeit und Farbtemperatur sich durch eine leichte Berührung mit dem Finger ändert.
"Mobilität war der erste Schritt in Richtung sinnlicher und interaktiver Empowerung des Nutzers", sagt Timon, der hinzufügt, dass der drehbare Hals der Lampe vom menschlichen Körper inspiriert wurde.
Der GRAU Campus bei Hamburg. Fotografie von Simon Menges
Innenansicht des GRAU Campus bei Hamburg. Fotografie von Simon Menges
In ihrer künstlerischen Arbeit verstärken die Brüder Grau die emotionale Wahrnehmung von Licht. Eines ihrer ersten Projekte, Fire (2021), das auf der Biennale de l'Image en Mouvement in Genf uraufgeführt wurde, spielt mit der Idee der einheitlichen "Glühbirne", die sie in einer Reihe von pulsierenden, im Raum verteilten Lichtskulpturen in Frage stellen. Kürzlich präsentierten sie auf der norwegischen Bergen Assembly Bonfire (2022), eine Installation von Lichtelementen, die wie ein Scheiterhaufen riesiger Streichhölzer inszeniert sind. Dieses "lebendige Licht" loopt eine Art subtile Narrative und lädt zu einer nachhaltigeren Beschäftigung mit Licht ein.
"Diese Skulpturen sind ein wichtiges Forschungsfeld für die Marke und Mission", sagt Timon. "Sie sind der Ort, an dem wir Dinge ausprobieren können und sie sind Startpunkte für die Umsetzung von Produkten im angewandten Kontext." Eine kommerziellere Version der Leuchte wird Anfang 2023 auf den Markt kommen — die erste Produkteinführung unter dem neuen Namen.
Bonfire (2022), eine Installation von GRAU in der norwegischen Bergen Assembly. Fotografie von Janne Savon
Timon und Melchior stellen fest, dass Kunstausstellungen und kommerzielle Produkte auf unterschiedliche Weise konsumiert werden. Die Renaissance des Unternehmens unter dem einenden Namen GRAU ermöglicht ihnen, nicht nur Fragen zum Stellenwert des Lichts in unserem Leben, sondern auch zum Status der Kunst zu stellen. Melchior: "Warum kann eine Marke keine Kunst produzieren? Und warum können wir als Künstler nicht auch Produkte hervorbringen, die die Menschen benutzen können?"